Liebe Schömbergerinnen und Schömberger, liebe
Fasnachtsinteressierte,
immer zum 6. Januar, dem jährlichen
Beginn der Schwäbisch-Alemannischen Fasnacht, verwandeln sich im
deutschen Südwesten wieder ganze Dörfer, ganze Städte in
Narrenhochburgen, schlüpfen wieder Tausende in Häs und Larve, kommen
Zehntausende als Besucher zu den Narrensprüngen, verfolgen
Hunderttausende im Fernsehen die großen Umzugsübertragungen. Ja,
dann
ist es wieder soweit: die fünfte Jahreszeit hat begonnen.
Doch
was bedeutet eigentlich Fasnacht? Woher kommt dieser Brauch? Was
steckt dahinter? Warum gibt es Narren, Hansele und Hexen? Das mag
sich sicherlich der eine oder die andere schon öfter interessiert
gefragt haben. Wir wollen hier versuchen, diese Fragen ein Stück
weit zu beantworten, und damit Einblick geben in die Geschichte der
Fasnet und in das Fasnachtstreiben, das auch uns Schömberger Narren
e.V. jährlich immer wieder in seinen Bann zieht.
Johanna Woll
(2001, S. 30-33) gibt in ihrem Buch ‚Feste und Bräuche im
Jahreslauf’ einen schönen Einblick in die schwäbisch-alemannische
Fasnacht:
>> Die Herkunft der Fastnachtsbräuche wird in der
Volkskunde verschieden gedeutet. Der "Tübinger Arbeitskreis für
Fastnachtsforschung" kam nach langjähriger intensiver
Brauchforschung zur Erkenntnis, dass Fastnacht nichts mit kultischen
Handlungen zur Dämonenvertreibung zu tun habe. Vielmehr seien seine
Anfänge im ständischen Bürgertum zu suchen. Die ersten Maskierungen
und Umzüge kamen mit Zunftbräuchen im Mittelalter auf. In
scherzhafter und spöttischer Weise traten Handwerksgesellen und
Lehrlinge vermummt der Obrigkeit gegenüber, um unerkannt ihrem Unmut
Luft zu machen.
Die Forscher sprechen von Missdeutungen, wenn
die Ursprünge der Fastnacht immer wieder in germanischer Zeit
gesucht würden. Vielmehr sei Fastnacht, das wie die Fastenzeit seit
dem Mittelalter im christlichen Kalender steht, eine zutiefst
katholische Angelegenheit.
Fastnachtsexperten finden die
frühen Wurzeln der Fastnacht im 13. Jahrhundert, als kirchliche
Ordnungen zum Fasten verpflichteten. Es fanden üppige Gelage statt,
bei denen die Vorräte von Speisen, wie Fleisch und Eier, die in der
vorösterlichen Fastenzeit nicht mehr erlaubt waren, aufgegessen
wurden.
Das Wort "Fastnacht" kommt von "fasten" und weist auf
die bevorstehende vierzigtägige Fastenzeit hin. Die Bezeichnung
"Karneval" kam erst um 1700 aus dem Italienischen zu uns. "Carne
vale" heißt so viel wie "Fleisch, lebe wohl" und weist auf die mit
dem Fasten kommende fleischlose Zeit hin. In der Zeit davor wollten
die Menschen alles, was sich ihnen bot, auch bezüglich des Essens,
noch einmal voll auskosten.
Die
christliche Kirche sieht im Narren eine Antifigur, die sich selbst
gefällt, die keinen Blick für den Nächsten hat. Der Narr hält den
Menschen einen Spiegel vor, der ihm zeigt, wie ein Mensch nicht sein
soll: Er lärmt und tobt, führt lästerliche Reden, ist übermäßig im
Essen und Trinken, macht sich hässlich und schmutzig, streitet und
richtet sich gegen die Obrigkeit. Für die sechs Tage vor
Beginn der Fastenzeit billigte die Kirche dieses Verhalten. Der
Christ sollte erkennen, dass er in der Abwendung von Moral und
Gesetz in die Ausweglosigkeit gerät, in das Reich des Teufels und
nicht in Gottes Reich.
Mit der Reformation wurde den
evangelischen Christen auch von ihrer weltlichen Obrigkeit unter
Strafe verboten, sich an solchem Narrentum zu beteiligen. Die
evangelische Kirche sah im Fastnachtstreiben ein sündhaftes
Verhalten und konnte es deshalb für ihre Gläubigen nicht gutheißen.
Doch auch in katholischen Fastnachtshochburgen gab es immer wieder
Verbote, die oft genug missachtet wurden.
In der Zeit der
Aufklärung sah man die Ursprünge der Fastnacht in dem heidnischen
Brauch des Winteraustreibens und der Begrüßung des Frühlings. Später
war es der Nationalsozialismus, der diese [falsche] Deutung
aufgriff. Er wollte das Fest nicht im christlichen Zusammenhang
sehen, sondern seine Wurzeln in germanischen Frühlingsfeiern finden.
Ob Fastnacht, Fasching oder
Karneval - es ist jedenfalls die Vorfeier der Fastenzeit. In alter
Zeit begann das Fastnachtsfeiern mit dem "schmotzigen",
"schmalzigen" oder "fetten Donnerstag". Diese Bezeichnung leitet
sich von den ausgesprochen fetten Mahlzeiten ab, die das Volk sich
vor Beginn der Fastenzeit gönnte. Mit diesem Tag, und das ist
nachweislich schon vor 750 Jahren so gewesen, beginnt eine
"verkehrte Welt" mit närrischem Treiben, mit Maskierung und
ausgelassenem Spiel, mit einer bunten Palette von Narrengestalten
wie Hexen, Teufel, Riesen und Schreckgespenstern aller Art. Ihre
Requisiten sind Fuchsschwänze, Saublasen, Pfeifen, Peitschen,
Schellen und alle nur denkbaren Lärminstrumente, die das närrische
Treiben begleiteten.
Regional bildeten sich im Laufe der
Jahrhunderte verschiedene Festformen und Fastnachtsgestalten heraus.
Als Beispiel sei hier die bekannte "schwäbisch-alemannische Fasnet"
erwähnt, eine Straßenfastnacht mit den für die einzelnen Orte dieses
Gebiets typischen Figuren, den Narros, Hansele, Gole, Schandle mit
Masken, Schlaraffen, Larven und Butzengesichtern, und mit Kostümen,
die Kleidle, Narrenhäs, Bletzlehäs heißen. Zünfte,
Burschenschaften und Gilden waren die Träger dieser Veranstaltungen.
Die schwäbisch-alemannische Fasnet reicht nachweisbar bis ins 16.
Jahrhundert zurück.
So vielseitig und bunt wie Masken,
Kostüme und Gestalten, so verschiedenartig sind Sitten und
Brauchformen um die Fastnacht, früher wie heute, Traditionelles
vermischt sich mit Neuem. <<
Literatur: Woll, J.
(2001). Feste und Bräuche im Jahreslauf (3. Aufl.). Stuttgart:
Ulmer.
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